„Schatzkarten
haben wir gedacht“, murmelte dieser schließlich ohne Zusammenhang.
„Als wir die versiegelten Holzzylinder aufgebrochen haben“, seine
Enttäuschung stand ihm immer noch ins Gesicht geschrieben, „... da
war überhaupt kein Gold drin!“ Er spuckte aus der Tür. „Nur diese
alten Zettel.“
„Können
Sie sich zufällig daran erinnern, was auf diesen Zetteln stand?“
[...]
„Da stand
was ausländisches drauf, auf diesen ollen Zetteln“, sagte er schließlich
bedächtig. „Auf dem einen Zettel“, fügte er noch schnell und
eifrig hinzu, bevor Pierre genervt seine Augen verdrehen konnte,
„war so ein Baum gemalt ... mit vielen Namen dran.“
„Meinen Sie
einen Stammbaum?"
Da niemand den wahren Sinn
der alten Dokumente verstehen konnte, schickte der Bischof den Abbé
nach Paris, um sie dort von den fähigsten Kryptologen entschlüsseln
zu lassen. Was Saunière in Paris wirklich über den Inhalt der
Dokumente erfahren hat, ist nie bekannt geworden. Doch nach seiner Rückkehr
verfügte er über ausreichende Geldsummen, um die Restaurierung der
Kirche voranzutreiben und sie nach seinen eigenen Vorstellungen
komplett umgestalten zu lassen.
So macht der Romanheld
Pierre bereits bei seinem ersten Besuch der kleinen Kirche eine
grausige Entdeckung:
Als Pierre
seine Hand auf die geschmiedete Türklinke legte, bemerkte er, daß
das Türschloß dem am Pfarrhaus glich. Es war aber noch größer,
fast wie das eines Burgtores. Welche Schätze mochte es ausgerechnet
hier, in einer Kirche am Ende der Welt, geben, daß man sie so sicher
verwahren mußte.
Er drückte
die schwere Klinke ein wenig nach unten, als diese ein seufzendes Geräusch
von sich gab. Er hielt inne. Oder wurde in der Kirche etwas
eingeschlossen, das daran gehindert werden sollte, diese Mauern zu
verlassen? Eine durchdringende Angst begann ihn zu beschleichen, [...]
Die Vögel
waren verstummt und es herrschte völlige Stille.
Das gibt es
doch nicht. Pierre kniff seine Augen zusammen. Sein Herz begann
schneller zu klopfen, [...] Ihm war schwindelig und vor seinen Augen
tanzten feine Schleier. Im Schatten der Statue der Maria Magdalena
hatte sich etwas verborgen, das erst jetzt hervorgekrochen kam.
„Ja!“ hauchte er. „Ich habe es in meinem Innersten gefühlt, als
ich diese Klinke berührt habe: Dieses ist nicht mehr das Haus unseres
Herrn. Gott hat diese Mauern verlassen!“
Es war eine
lateinische Inschrift, die sich wie eine Schlange langsam aus dem
Schatten herausringelte, eingemeißelt zur ewigen Warnung:
TERRIBILIS
EST LOCUS ISTE – DIESER ORT IST SCHRECKLICH 
Das Innere der Kirche ist
voller Rätsel und gibt zu immer neuen, wildesten Spekulationen Anlaß.
So zeigt zum Beispiel jede einzelne Station des grellbunten Kreuzweges
irgendeine sonderbare Widersprüchlichkeit, ein nicht zu erklärendes
zusätzliches Detail oder weicht sonstwie von der allgemein üblichen
Darstellungsweise ab. So zeigt die vierzehnte Station die Grablegung
Christi bei Nacht. Was möchte Saunière andeuten? Daß Jesus Körper
aus dem Grab herausgetragen wird? Oder, daß die Grablegung viele
Stunden später erfolgte, als von der Bibel angegeben?
Wie gesagt: Die Kirche ist
voller Symbole, Rätsel und geheimnisvoller Hinweise. Warum steht
direkt am Eingang eine wahrlich erschreckende Gestalt, die den
Eintretenden sofort an den Satan denken läßt?
„Verdammt
noch mal!“ Er zuckte zusammen, als seine Augen etwas erfaßt hatten.
Es tauchte direkt hinter ihm auf und hatte sich im Schatten der
schweren Eingangstür versteckt. [...]
„Der
Teufel“, japste er kurzatmig und rang nach Luft. Sein Herz rumste
wie ein Dampfhammer. Er war fassungslos. Eine menschengroße Statur
des Satans! Und das mitten in meiner neuen Kirche! Aber Gott sei Dank
ist dieses Ding nur aus Stein! [...]
„Da ist es
doch kein Wunder, daß die Leute hier verrückt geworden sind und
diese Kirche nicht mehr betreten wollen“, brummte er kopfschüttelnd
und wandte sich wieder dem Kirchenraum zu. Was hatte sich der alte Abbé
nur dabei gedacht? Wie sollte er hier arbeiten, mit diesem Kerl
dahinten in der Nische? [...]
„Asmodi“,
sagte unvermittelt eine Stimme von draußen. „Der Hüter der
Geheimnisse und der Wächter verborgener Schätze.“ Pierre wandte
seinen Kopf und sah in einiger Entfernung vor der Kirchentür Bruder
Severin stehen, zusammen mit diesem dicken schwarzen Hund von Marie.
„Aber ich
dachte ...“, er deutete mit dem Finger auf die Teufelsfigur.
„Nein“,
flüsterte Severin herüber, „es ist nicht der Satan.“ [...]
„Asmodi!“
wiederholte er leise und furchtsam, als Pierre auf ihn zuging. „Er
ist ein Dämon. Der Hüter der Geheimnisse und der Wächter der
verborgenen Schätze. Er soll sogar den Tempel in Jerusalem gebaut
haben, wie eine alte jüdische Legende besagt.“
Die Hintergründe